Ich_iel

by HykleSache

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  1. Die Hintergrundgeschichte dazu:

    Ich habe im Jahr 2019 meine erste Ausbildung als Geomatiker angefangen. Wir hatten Berufsschulunterricht in Blöcken an der städtischen Berufsschule für Gartenbau, Floristik und Vermessungstechnik in München. Ja, die Schule heißt wirklich so. Im Prinzip hat man ganz viele Pflanzenliebhaber und vor allem Frauen zu einem Haufen Vermessungstechniker und Geographieenthusiasten zusammen in eine Schule gesteckt.

    Als Asperger Autist und mit 17 Jahren war ich extrem angespannt und nervös, ich war noch nie weg von Zuhause, außer im Urlaub, und jetzt fahre ich nach München und lerne dort Geomatik. Ich nächtigte im “Salesianum” nahe dem Rosenheimer Platz in München. Richtige Drecksbude, im Prinzip eine Jugendherberge. Randnotiz: Das dritte Lehrjahr meiner Arbeitsstelle hat sich von diesem Ding verabschiedet und uns nahegelegt bei unseren Ausbildern ein anderes Quartier zu beantragen. Ich war also extrem angespannt und richtig fertig. So komme ich also zur ersten Berufsschultag.

    Meine Angst und Anspannung wurde teilweise genommen, da meine Arbeitskollegen mich tatsächlich beruhigen konnten und die anderen Auszubildenden sehr freundlich und zuvorkommend waren. So begann die erste Stunde. Ich weiß den Namen vom Lehrer nicht mehr, habe ich mir nie gemerkt. Verwaltungssachen, Begrüßungsrunde und eben was zu beginn einer Schulklasse so gemacht werden muss. Kurze Pause. Zweite Stunde, neuer Lehrer. Er betritt den Raum, schwankt etwas. Er stellt seine Altherrentasche ab und sagt: “Guten Morgen, ich bin euer neuer Lehrer im Fach theoretischer Vermessungstechnik und heute… *hält sich an die Brust* Oh Gott… m-mir gehts garni…” *Rumms auf den Boden.

    Die gesamte Klasse ist kurz erstarrt bis bei mir sofort das gelernte Abgerufen wird. Ich springe auf, greife in meinen Rucksack, hole ein paar Latex-Einmalhandschuhe heraus [Ich bin komisch, fragt nicht wieso ich das dabei hab] und ging auf ihn zu, der Rest der Klasse war weiterhin wie erstarrt. Ich ging in die Knie, überprüfte Atmung und merkte, er atmet nicht. Ich begann also sofort mit der Thorax-Kompression, besser gesagt ich begann auf die Brust zu drücken. Ich rief gezielt jemandem zu: “Du, ruf den Notruf, geb mir dann dein Handy!” Er griff in seine Hosentasche und wählte den Notruf, stellte es auf Lautsprecher und legte es neben mich. “Geh ins Sekretariat und hol einen Defibrillator!” Er eilte los.

    Die Leitstelle ließ auf sich warten, ich war an einem Montagvormittag um 10:30 5 Minuten lang in der Warteschlange der Feuerwehr München. Der Mitschüler kam zurück und sprach: “Die haben keinen Defi.” Mir entglitt alles aus dem Gesicht, dann beatmete ich zum ersten mal meinen Lehrer. Ich drückte weiter. Dann schaute ich zwei weitere Schüler an und rief: “Ihr beide! Rennt raus, zur U-Bahn Station! Bringt mir den Defibrillator! Ist durch ein grünes Symbol gekennzeichnet!” Die beiden eilten los. Den anderen Mitschüler wies ich an, mich gleich abzulösen. Ich war nach wie vor in der Warte schleife. Nachdem ich “30” zählte ließ ich los und beatmete ihn erneut. Ich rief ihm danach zu: “30 mal drücken! So wie ich!” Er begann zu drücken.

    “Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst in München grüß Gott” ertönte aus dem Lautsprecher. Ich gab dem Disponenten alle Angaben die er benötigte und er legte auf.

    Ich weiß nicht wie es dem Lehrer heute geht oder ob er es überhaupt geschafft hat. Ich ging völlig aufgelöst dann in die Jugendherberge und atmete erst einmal tief durch. Eine Stunde später rief mich die Referentin für Soziales der Stadt München an und fragte ob alles gut wäre. Ich war ehrlich fertig. Ich fuhr am nächsten Tag mit dem ICE nach Hause und ließ mich bis Freitag krank schreiben.

    Klingt vielleicht übertrieben aber das hat mir was ordentliches mitgegeben.

    Danke fürs Lesen :3

  2. Als Arzt: Mega gutes Management! Der Defi hätte ihn vielleicht aber auch nicht gerettet…Man kann nicht alles wie im Film schocken 😎

  3. Habe vor kurzem einen Erste-Hilfe-Kurs gehabt. Es wurde uns genau so beigebracht, wie du es gemacht hast. Respekt, dass du das so abrufen konntest! Das ist nicht selbstverständlich und du hast allen Grund, stolz auf dich zu sein!

  4. Mein Onkel ist die Woche an Herzinfarkt gestorben. Da waren auch gleich Leute da, die ihn wiederbeleben wollten und Notarzt ging auch schnell. Ist super, dass das jeder lernt und auch immer wer da ist, der das dann auch schafft. Ich geh jetzt wieder heulen. Super Geschichte!

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