Moldau: Extrem knappes Ja zur EU und Vorwürfe prorussischer Wahlfälschung – Politik

Das Ergebnis des EU-Referendums und der Präsidentschaftswahl in der Republik Moldau haben Staatschefin Maia Sandu und ihrer Regierung einen unerwarteten Rückschlag auf dem Weg nach Europa beschert. Sie habe „in einem unfairen Kampf fair gewonnen“, sagte Sandu am Montag über den Ausgang des EU-Referendums und die Präsidentschaftswahl in der Republik Moldau. Nur knapp 50,5 Prozent der stimmberechtigten Moldauer entschieden laut Endergebnis mit Ja, dies reicht aber für die Verankerung des EU-Beitritts in der Verfassung.

Die Präsidentin bezog sich auf einer Pressekonferenz in Chișinău darauf, dass das Ergebnis des Referendums, nach dem der EU-Beitritt in der Verfassung verankert werden soll, aufgrund russischer Interventionen und Wahlmanipulationen denkbar knapp ausfiel. Die russische Desinformationskampagne und die Unterstützung prorussischer, moldauischer Kandidaten durch Moskau sei, so Sandu, ein „Angriff auf unsere Demokratie“ gewesen. Jetzt gelte es, die Korruption stärker zu bekämpfen, die Stimmenkauf und illegale Parteienfinanzierung ermöglicht hätten, und die Demokratie zu stärken. Moldauischen Medien zufolge gaben den Ausschlag für die Verfassungsänderung die Hunderttausenden im Ausland lebenden Moldauer.

Erleichterung in der EU, Russland zweifelt Ergebnisse an

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich erleichtert über das Ergebnis des EU-Referendums. Das mit russischen Beeinflussungsversuchen konfrontierte Land habe gezeigt, dass es unabhängig und stark sei und eine europäische Zukunft anstrebe, kommentierte sie im sozialen Netzwerk X.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich erfreut über das Ja der Moldauer: „Es war sehr knapp. Aber es ist eine große Erleichterung für uns alle und wir gratulieren von Herzen“, sagte die Grünen-Politikerin bei einem Auftritt in Berlin. Baerbock nannte Moldaus EU-Kurs „die beste Sicherheitsgarantie für die Menschen vor Ort, dass sie in Zukunft in Frieden und in Freiheit leben können“. Der russische Präsident Wladimir Putin habe vor zweieinhalb Jahren nicht nur die Ukraine, sondern auch Moldau angegriffen – „in dem Fall nicht mit der Armee, sondern auch hier mit einer hybriden Kriegsführung“, so Baerbock.

Die russische Regierung zweifelt hingegen das Resultat des Referendums und der Präsidentenwahl in Moldau an. Die Abstimmungen seien nicht frei gewesen, und die Ergebnisse zeigten mit zunehmender Auszählung einen „schwer zu erklärenden“ Anstieg der Stimmen zugunsten von Präsidentin Sandu und der Europäischen Union, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag.

Die Präsidentin geht von 300 000 gekauften Stimmen aus

Bis zur Wahl am Sonntag hatte ein Ja zur EU-Mitgliedschaft Moldaus, das schon seit Juni 2022 Beitrittskandidat ist, als sicher gegolten. Bereits in der Nacht zum Montag war die sichtlich aufgebrachte Präsidentin erstmals vor die Presse getreten und hatte den Kauf von mindestens 300 000 Stimmen durch prorussische Kräfte beklagt. Knapp hundert Millionen Euro seien ausgegeben worden, um die Wahl zu fälschen.

Auch bei den Präsidentschaftswahlen vom Sonntag liegt Sandu im ersten Wahlgang zwar mit 42 Prozent der Stimmen vor dem Sozialisten Alexandr Stoianoglo, der auf 26 Prozent der Stimmen kam; gegen den ehemaligen Staatsanwalt wird wegen Korruption ermittelt. Der nächstgereihte Bewerber kam nur noch auf 13 Prozent. Sandu war zum zweiten Mal angetreten.

Für die Präsidentin könnte es in der Stichwahl eng werden

Sandu war allerdings auch die einzige dezidiert proeuropäische Kandidatin für das Präsidentschaftsamt; es könnte also in der Stichwahl in zwei Wochen für sie enger werden als gedacht, wenn alle anderen Kandidaten zur Wahl von Stoianoglo aufrufen. Die Wahlbeteiligung lag bei etwas mehr als 50 Prozent.

Sie wandte sich daher am Montag an jene Bürger, die für andere, offiziell als neutral geltende Bewerber gestimmt hatten, und bat um ihre Stimme, um eine „Katastrophe“ zu verhindern. Sowohl die Optimisten als auch die Enttäuschten in Moldau wollten in Freiheit und Frieden leben – und genau darum gehe es in der Europäischen Union.

Vor der Wahl und dem Referendum war in der Hauptstadt zwar befürchtet worden, dass in der Abstimmung über eine Verfassungsänderung zum EU-Beitritt womöglich das Quorum von 30 Prozent nicht erreicht werden könnte. Dass nun allerdings das Ergebnis als solches so knapp wurde, ist auch eine Blamage für die Regierung, die gehofft hatte, mit einem eindeutigeren Ausgang für die Präsidentschaftswahl mobilisieren und ihren Westkurs leichter durchsetzen zu können.

Vor dem Wahltag hatte es jedoch bereits Hinweise auf massive Desinformation und Stimmenkauf gegeben. Der vor einer Haftstrafe aus Moldau über Israel nach Moskau geflohene Unternehmer Ilan Șor hatte mit Unterstützung Russlands nicht nur zum Boykott des Referendums aufgerufen und gegen die Wahl von Sandu mobilisiert, sondern auch Geldzahlungen an jene geleistet, die mit Nein stimmten oder andere zum Nein aufriefen. Umgerechnet etwa hundert Millionen Euro sollen allein in den vergangenen Monaten aus Russland an Mittelsleute von Șor geflossen sein, die damit Stimmenkauf betrieben und Demonstrationen gegen die Regierung organisierten.

Die renommierte moldauische Tageszeitung Ziarul de Gardă hatte wenige Tage vor der Wahl eine mehrmonatige, investigative Recherche veröffentlicht, in der eine Reporterin sich in die Șor-Kampagne einschleuste, auf Weisung einer Aktivistin ein Konto bei einer staatlichen, russischen Bank eröffnete und darüber Zahlungen erhielt. Dafür musste sie in Moldau Material mit Desinformation über die EU oder Maia Sandu an Passanten verteilen, in den sozialen Medien Fake News posten oder an Wahlversammlungen für prorussische Kandidaten teilnehmen.

130 000 Moldauer sollen Geld bekommen haben, um gegen das Referendum zu stimmen

Die moldauische Polizei hatte zudem Anfang Oktober mitgeteilt, dass laut ihren Ermittlungen mehr als 130 000 Moldauer Geld aus Moskau erhalten hätten, um gegen das Referendum zu stimmen. In der autonomen Region Gagausien im Süden des Landes, wo Șors Leute besonders aktiv gewesen waren, stimmten dementsprechend nur etwa fünf Prozent für die Verankerung des EU-Beitritts in der Verfassung. Der Weg nach Europa, für den Sandu als „historische Entscheidung“ geworben hatte, so viel ist deutlich geworden, dürfte nun noch steiniger werden.

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