Dass Deutschland in einer Wirtschaftskrise steckt, wurde der Ampelkoalition nun auch von höchster Stelle bestätigt. Seit Dienstag traut der Internationale Währungsfonds (IWF) der deutschen Volkswirtschaft in diesem Jahr nur noch eine Stagnation zu. Seit nun fast drei Jahren wächst die Wirtschaft hierzulande damit nicht mehr.

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Beim Wachstum ist Deutschland inzwischen Schlusslicht unter den G7-Staaten. Die Lage ist ernst. Dem Auftritt von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war das am Mittwoch nicht anzumerken.

Caspar Schwietering ist Redakteur im Hauptstadtbüro. Er wünscht sich einen letzten großen Kraftakt der Ampel.

Um die Wirtschaftskrise zu bekämpfen, stellte Habeck in seinem Ministerium einen „Impuls für eine Modernisierungsagenda“ vor. Dieses von ihm geschriebene Papier gehe nun „auch an die befreundeten Häuser“ der Bundesregierung, sagte Habeck mit feiner Ironie.

200, 300 oder 400 Milliarden? Egal!

Mit anderen Worten: Habeck präsentierte eine Ideensammlung, die in der Bundesregierung nicht abgestimmt ist. Der Grünen-Politiker weiß dabei genau, dass die FDP mit seinen Ideen nichts anfangen kann.

Habeck will einen mit Krediten finanzierten „Deutschlandfonds“ schaffen. Aus diesem Fonds will er die Modernisierung der Infrastruktur bezahlen und privaten Unternehmen zehn Prozent ihrer Investitionsausgaben zurückzahlen – entweder per Steuergutschrift oder per Prämie. Von den Liberalen kam umgehend Kritik an dieser schuldenfinanzierten Wachstumsinitiative.

Der Grünen-Politiker hat das bei seinem Statement schon vorweggenommen. Er glaubt selbst nicht mehr daran, dass dieser Vorschlag von der Ampelkoalition noch umgesetzt wird. Entsprechend nonchalant antwortete Habeck auf grundlegende Fragen zur praktischen Umsetzung.

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Ob der kreditfinanzierte „Deutschlandfonds“ ein Volumen von 200, 300 oder 400 Milliarden Euro haben werde, erklärte er zum unwichtigen Detail. Die entscheidende Frage sei für ihn: „Wollen wir uns auf den Weg machen?“

Wie bitte? Unabhängig davon, ob man einen staatlichen Investitionsfonds für eine gute Idee hält, ist es eine Frechheit von Habeck, zusätzliche Schulden von mehreren hundert Milliarden Euro zur Nebensache zu erklären. Schließlich müssen die Zinsen dafür die Steuerzahler erwirtschaften.

Habeck grätscht dem Kanzler dazwischen

Mit seinem „Deutschlandfonds“ steigt nun auch Habeck in den Wahlkampf ein. Der designierte Kanzlerkandidat der Grünen wollte dem Industriegipfel von Kanzler Olaf Scholz am nächsten Dienstag zuvorkommen. Auf dem könnte Scholz zusammen mit Gewerkschaftern und Industrievertretern einen Pakt vorstellen, um Deutschland aus der Krise zu holen.

Habeck grätscht also dem Kanzler dazwischen – wohl auch aus Ärger über dessen Vorgehen. Denn seinen Industriegipfel hat Scholz mit den Koalitionspartnern Grüne und FDP nicht abgesprochen. Als Wahlkampfveranstaltung für die SPD bezeichnen böse Zungen aus der Wirtschaft deshalb das Treffen.

Bei den Wirtschaftsvertretern setzte Scholz auf eine feine Auswahl. Nicht dabei sind unter anderem die Industrie- und Handelskammer und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber. Es kommen dagegen neben dem Bundesverband der Deutschen Industrie, den Verbänden der Chemieindustrie und der Maschinenbauer auch die Autobosse und die IG Metall.

„Deutschland hat für Investoren an Attraktivität verloren“ Arbeitgeberpräsident Dulger geht mit der Ampel ins Gericht

Will Scholz mit dieser Gruppe ein Rettungspaket für die deutsche Wirtschaft vorlegen, das gut zum Wahlprogramm der SPD passt? Dieser Verdacht machte in Berlin die Runde. Ein vertrauenerweckendes Signal ist das nicht.

Die Maßnahmen gegen die Krise, auf die sich SPD, Grüne und FDP bereits verständigt haben, werden von den Sozialdemokraten derweil zerredet. Insbesondere viele arbeitsmarktpolitische Impulse der sogenannten Wachstumsinitiative harren deshalb der Umsetzung.

So blockiert die SPD etwa eine 1000-Euro-Prämie für Langzeitarbeitslose, die sich wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Auch der Steueranreiz für ausländische Fachkräfte kommt wohl nicht. Aus Angst vor dem Unmut der Wähler. Dabei halten die meisten Fachleute diese Maßnahmen für sinnvoll.

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Habeck und Scholz zitieren in diesen Tagen gerne einen Ludwig Erhard zugeschriebenen Spruch, wonach Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie sei. Nur handeln sie nicht danach. Statt den Deutschen das Gefühl zu geben, die Regierung bekommt die Lage in den Griff, nutzen sie die Krise für ihren Wahlkampf. Eine solche Regierung hat das Land nicht verdient.