In Deutschland und bei den Nato-Partnern wird inzwischen um jeden weiteren Euro für die Ukraine gerungen. Russland und seine Partner schaffen derweil Tatsachen: Offenbar sollen 12.000 Soldaten aus Nordkorea im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden, teils Elite-Einheiten des Machthabers Kim Jong-un. Am Mittwoch erklärte die Nato, sie habe “Beweise”, dass Soldaten Nordkoreas bereits in Russland trainieren. Nun wachsen die Sorgen vor einer Ausweitung des Konflikts, auch das Wort “Weltkrieg” fällt.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), sagt dem stern dazu: “Der Einsatz nordkoreanischer Soldaten ist ein klares Zeichen für Russlands Schwäche und zugleich eine gefährliche Eskalation, die den Krieg immer weiter internationalisiert.” Russland leide unter massiven Nachschubproblemen bei Waffen, Munition und Soldaten. “Ohne die Hilfe seiner Diktatoren-Freunde aus Nordkorea, China und Iran kann Putin seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine nicht mehr führen”, sagt Roth. 

Nordkoreas Soldaten könnten Russlands Probleme lösen

Ähnlich besorgt äußert sich der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. “Russland zeigt damit erneut, dass es nicht isoliert ist in der Welt. Für den Westen ist das ein dramatisches Zeichen.” Die Beteiligung nordkoreanischer Soldaten wäre aus seiner Sicht ein offener Kriegseintritt des Landes. Nordkorea schule so seine eigenen Truppen und ihre Fähigkeiten. “Russland löst so sein eigenes Rekrutierungsproblem, weil die Nordkoreaner nun für sie kämpfen – wie effektiv, wird sich zeigen”, ergänzt Kiesewetter.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt unterdessen vor einem Dritten Weltkrieg und spricht ebenfalls von einer neuen Kriegspartei. Der amerikanische Außenminister Lloyd Austin sprach von einem “sehr, sehr ernsten Problem”, sollte Nordkorea wirklich in die Kämpfe eingreifen. In Berlin bestellte das Auswärtige Amt den nordkoreanischen Geschäftsbeauftragten ein.

Schon lange gibt es Spekulationen über umfassende Waffenlieferungen Nordkoreas an Russland. Im Juni hatten Wladimir Putin und Kim Yong-un eine sogenannte Sicherheitspartnerschaft unterzeichnet und sich Unterstützung im Falle eines Angriffes zugesichert. Putin begründet den möglichen Einsatz der Soldaten nun genau so: mit der ukrainischen Gegenoffensive in der Region Kursk. Ohne die Unterstützung Chinas wäre der Einsatz ebenfalls kaum möglich.

Kiesewetter und Roth fordern Härte statt Beschwichtigung

Kiesewetter und Roth fordern eine harte Reaktion des Westens, um eine Ausweitung des Krieges noch zu verhindern. “Der Westen muss endlich Diplomatie und Härte verbinden und deshalb finanziell und militärisch ‘all-in’ die Ukraine unterstützen”, sagt Kiesewetter dem stern. “Dazu muss Deutschland endlich Taurus-Marschflugkörper liefern und die Reichweitenbeschränkungen aufgeben, damit die Ukraine militärische Ziele tiefer in Russland angreifen kann.” 

Außerdem solle eine “Koalition der Willigen”, wie Kiesewetter es nennt, die Flugabwehr über der Westukraine übernehmen. So könnten Kapazitäten für die Verteidigung der Ostukraine frei werden. Der CDU-Außenpolitiker geht sogar noch einen Schritt weiter: “Der Einsatz von Soldaten aus Partnerstaaten für Ausbildung und Instandsetzung darf nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Bundesregierung darf das nicht länger blockieren”, sagte er.

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Michael Roth, fordert eine konsequente Reaktion. “Nordkoreas Beteiligung scharf verurteilen, Sanktionen verschärfen, Sanktionsumgehungen durch Länder wie China rigoros bekämpfen, die militärische Unterstützung der Ukraine – möglicherweise mithilfe Südkoreas – ausweiten und der Ukraine endlich erlauben, weitreichende westliche Waffensysteme gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen”, sagt der SPD-Politiker dem stern. Damit erhöht sich auch den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD). 

Die Sorge vor einem Weltkrieg ist nachvollziehbar – Sorge und Beschwichtigung verhindern aber keine Eskalation.

Dieser setzt weiter auf Besonnenheit. So nennen das die SPD-Strategen. Scholz hatte zuletzt beim EU-Gipfel vor einer Woche Forderungen nach der Lieferung der deutschen Mittelstreckenrakete Taurus zurückgewiesen. “Das halte ich nicht für eine richtige Lieferung – und dabei bleibt es auch”, sagte der SPD-Politiker in Brüssel. Auch eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine hält er für den falschen Weg. Scholz begründete das mit seiner Sorge vor einer Ausweitung des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato.

Nordkoreas Soldaten an der russischen Front? "Geht um Menge, nicht um Qualität"

Nordkoreas Soldaten an russischer Front? “Geht um Menge, nicht um Qualität”

02:35 min

CDU-Außenpolitiker Kiesewetter teilt die Sorgen vor einer Eskalation, selbst Selenskyjs Sorgen vor einem Weltkrieg. “Die Sorge vor einem Weltkrieg ist nachvollziehbar – Sorge und Beschwichtigung verhindern aber keine Eskalation”, sagt Kiesewetter dem stern. Europa müsse stattdessen mit Stärke und Abschreckung reagieren. “Deutschland kann noch so oft sagen, dass wir keine Kriegspartei sein wollen, wenn uns Russland als Kriegsziel sieht. Putin sagt das ganz offen.”

Russland sieht Deutschland seit 2019 als Kriegsziel

Zuletzt hatte auch der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, im Deutschen Bundestag deutliche Worte gefunden. “Wir stehen in einer direkten Auseinandersetzung mit Russland”, sagte Kahl bei einer Anhörung im Parlament. Russlands Präsident Wladimir Putin gehe es nicht nur um die Ukraine, sondern “in Wirklichkeit um die Schaffung einer neuen Weltordnung”. 

CDU-Mann Kiesewetter ergänzt, dass Deutschland spätestens seit 2019 ein Kriegsziel Russlands sei, durch gezielte Morde wie im Tiergarten, Brandanschläge, Sabotage, Spionage. “Russland testet aus, wie lange es mit dieser verdeckten Form der Kriegsführung gegen uns vorgehen kann, ohne dass wir wirklich reagieren.” Mit dem möglichen Einsatz nordkoreanischer Soldaten in der Ukraine testet Wladimir Putin nun die gesamte Nato. 

#Themen