Binnenmarkt und Kapitalmarktfinanzierungen stärken – Sparkassen und Volksbanken mahnen Reformen in Deutschland an
mpi Washington

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht dringenden Handlungsbedarf für die Politik, Europas Wachstumsperspektiven zu verbessern. „Die niedrige Produktivität ist ein Problem in jedem einzelnen europäischen Staat“, sagte Alfred Kammer, Direktor des europäischen Departments des IWF, bei der Vorstellung des Berichts zur ökonomischen Lage Europas. „Damit Europa sein Wachstumspotenzial voll ausschöpfen kann, ist ein größerer und stärker integrierter Binnenmarkt – vor allem für Waren, Dienstleistungen und Kapital – erforderlich“, heißt es dort.

Ein voll entwickelter Binnenmarkt würde laut dem Fonds Firmen den nötigen Spielraum für Innovationen bieten, Strukturreformen erleichtern und Investitionsanreize erhöhen. Die Vertiefung der europäischen Integration sei zudem auch die beste Lösung, um mit den zunehmenden geopolitischen Spannungen umzugehen. Ein größerer Binnenmarkt biete Unternehmen und dem Arbeitsmarkt einen besseren Schutz vor den Auswirkungen der Fragmentierung im Welthandel.

Fehlende Arbeitskräfte

Der IWF macht drei Hauptpunkte aus, warum das Wirtschaftswachstum Europas seiner Prognose nach in den kommenden fünf Jahren 0,5 Prozentpunkte unter der durchschnittlichen Wachstumsrate von vor der Pandemie liegen wird. Europa fehle es angesichts des demografischen Wandels und einer effektiven Einwanderungspolitik zunehmend an Arbeitskräften.

Dies mache sich besonders in Ländern wie Italien oder Griechenland bemerkbar. Zum einen ist dort der Anteil von Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt besonders groß und Dienstleistungen sind arbeitskräfteintensiv. Zum anderen würde viele junge Menschen diese Länder verlassen, um in anderen EU-Staaten zu arbeiten.

Zu schwacher Kapitalmarkt

Das zweite Problem ist laut IWF die schwache Produktivität in Europa, gerade im Vergleich zu den USA. „Begrenzende Faktoren sind eine geringe Marktgröße, weniger Kapitalmarktfinanzierung und ein Übermaß an Unternehmen, die weniger innovativ sind als in den Vereinigten Staaten und aufgrund der Segmentierung der nationalen Märkte weniger Wettbewerb ausgesetzt sind“, teilt der IWF mit. Zudem senke die Unsicherheit über die Resilienz der globalen Lieferketten sowie der gefährdete Zugang zu Rohstoffen die Aussichten auf eine Besserung der Produktivität.

Als dritten Punkt für die Wachstumsschwäche Europas führt der Fonds fehlende Investitionen auf. Europa hat laut Kammer keinen Mangel an Ersparnissen, aber eine nicht ausreichende Finanzmarktkultur. „Eine Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion ist entscheidend“, sagte Kammer. Der IWF befürworte auch Zusammenschlüsse von europäischen Banken, kommentiert bestimmte mögliche Transaktionen jedoch nicht.

Überbordende Regulierung

„Europa wurde durch Bürokratie und Regulierung betäubt, jetzt ist es an der Zeit, aus der Narkose aufzuwachen“, sagte Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in Washington. In Gesprächen mit internationalen Investoren beklagen diese ihm gegenüber immer wieder die fehlende Innovationskraft in Deutschland. Als eine der Ursachen hierfür macht der DSGV eine überbordende Regulierung aus. „Es ist Zeit für ein Regulierungsmoratorium“, fordert DSGV-Vorstandsmitglied Karolin Schriever.

Kritik an Habeck

Europa braucht laut Reuter jährlich Investitionen in Höhe von 750 Mrd. Euro. „Niemals werden die öffentlichen Haushalte wesentliche Volumina dessen aufbringen“, sagte Reuter. Das Geld müsse größtenteils von privaten Investoren kommen. Er spricht sich dafür aus, dass es öffentliche Garantien für Investitionen in Infrastruktur geben soll. Dies könnte die deutschen Kleinanleger mit hohem Sicherheitsbewusstsein zu Investitionen bewegen.