«Weine nicht mehr jeden Tag» – Wendy Holdener spricht erstmals über den Krebstod ihres Bruders Kevin Holdener.

Kevin Holdener und seine Schwester Wendy.Bild: screenshot instagram

Review

Eine SRF-Doku über Wendy Holdener und ihren verstorbenen Bruder Kevin geht tief unter die Haut. Das sind die emotionalsten Momente.

24.10.2024, 18:5825.10.2024, 09:45

Olivier Meier

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Am 22. Februar 2024 stirbt Kevin Holdener nach langer Krankheit mit nur 34 Jahren.

Im Alter von 20 Jahren wird beim Bruder der Skifahrerin Wendy Holdener ein bösartiger Tumor entdeckt. Was folgt, ist ein jahrelanger Kampf. Schlussendlich stirbt er nicht an Krebs, sondern an einer Lungenentzündung.

Es ist das Ende einer langen Leidensgeschichte, nicht nur für Kevin, sondern auch für Wendy, seine Frau Carmen und die ganze Familie.

Nun bringt «SRF DOK» ein bewegendes Porträt heraus: «Wendy und Kevin – verbunden über den Tod hinaus». Zu sehen ist sie am Donnerstagabend auf SRF 1 oder online.

Die Doku war ursprünglich Kevins Idee. Obwohl Regisseur Michael Bühler keinen einzigen Drehtag mit ihm durchführen konnte, ist ein Film entstanden, der unglaublich aufwühlt.

Das sind die emotionalsten Szenen.

Der Auftakt

Nur schon die Anfangsszenen der Doku gehen extrem unter die Haut. Bilder zeigen Kevin im Spital, im Hintergrund läuft eine Sprachnachricht von ihm an Regisseur Michael Bühler. Aufgenommen einen Tag vor seinem Tod.

Es folgen Videoausschnitte von Kevin, die ihn beim Kanufahren zeigen. Szenen von ihm und Wendy im Auto. Dann wieder Kevin im Spital. Die mit gebrochener und erschöpfter Stimme gesprochene Nachricht wird von Musik begleitet und im Hintergrund laufen gelassen:

«Beim Schnaufen habe ich Probleme. Es wurde festgestellt, dass ich eine Lungenentzündung habe. In meinem Fall ist das gar nicht gut. Wir wollen die Lungenentzündung in den Griff bekommen. Ich hoffe, das werden wir auch. Aber es ist gerade wieder sehr schwierig. Unberechenbar. Wenn es nicht stabilisiert wird, dann, ja, werde ich wahrscheinlich daran sterben.»

Sprachnachricht von Kevin Holdener an Regisseur Bühler einen Tag vor seinem Tod.

Der Einstieg in die Doku

Video: srf

Die 360-Grad-Videos

Sehr emotional wird es immer, wenn Ausschnitte gezeigt werden, die Kevin selber gefilmt hat. Oft war er mit einer 360-Grad-Kamera unterwegs, filmte sich in Japan und den USA, in Italien und den Schweizer Bergen. Beim Skifahren und Golfspielen, beim Surfen oder Jetskifahren.

In diesen Rückblicken sieht man einen Menschen, der gerne und viel gereist ist, einen Menschen, der Freude an verschiedenen Sportarten und fernen Ländern hatte. Immer wieder werden diese Momente in der Dokumentation eingestreut.

Die Kamera fängt aber nicht nur die schönen Momente aus seinem Leben ein. Es gibt auch sehr persönliche Aufnahmen, die zeigen, wie Kevin sichtlich erschöpft im Spital ist. Wie er schwach auf dem Bett sitzt, Schwierigkeiten beim Aufstehen hat, gegen die Schmerzen kämpft und kein Lächeln über die Lippen bringt.

Seine Frau Carmen und die Hochzeit

Auch seine Frau Carmen kommt immer wieder zu Wort. Die beiden haben sich einst in Davos kennen und lieben gelernt, ihre Beziehung stand allerdings oft im tödlichen Schatten des Krebses.

Eine der emotionalsten Szenen ist, als Carmen von der gemeinsamen Hochzeit kurz vor Kevins Tod erzählt.

Die Doku zeigt Bilder der Hochzeit aus dem Spital, wie Kevin im Anzug, mit Beatmungsschlauch und im Rollstuhl seiner Carmen das Ja-Wort gibt. Alle wichtigen Freunde und die ganze Familie sind vor Ort, es wird ein Champagner geköpft, glückliche Momente in einer schwierigen Zeit.

Immer wieder nach den richtigen Worten suchend und sichtlich emotional, sagt Carmen in einem herzzerreissenden Ton über die Hochzeit:

«Das war ein sehr schöner Moment. Gefühlsmässig eine riesige Achterbahn. Es waren die schlimmsten Stunden meines Lebens, die ich bis jetzt erlebt habe. Trotzdem waren es so schöne Momente, die bleiben, die dem ganzen geholfen haben und auch im Nachhinein noch helfen, dass ich ihn so schön in Erinnerung behalten kann.»

Carmen Holdener

Der Tod

Am frühen Morgen des 22. Februars gibt es dann keine Hoffnung mehr. Kevin liegt im Sterben. Wendy erzählt:

«Wir sind eigentlich den ganzen Morgen bei ihm im Spital gewesen. Unser Bruder Steve hat es nicht nach Hause geschafft, sie haben dann per FaceTime telefoniert und er konnte sich verabschieden. Fünf bis zehn Minuten später, nachdem unsere Mutter gesagt hat: ‹Kevin, du darfst gehen›, und auch Steve das schon gesagt hat, ist er gegangen.»

In dem Moment wird das Interview unterbrochen. «Vielleicht braucht es jetzt eine Pause», sagt Wendy in die Kamera, ein trauriges Lächeln im Gesicht, die Tränen kann sie nicht mehr zurückhalten.

Kevin wird nach seinem Tod in Unteriberg im Kanton Schwyz beigesetzt. Bilder fangen die Familie und Freunde beim Grab ein, Schwester Wendy und Ehefrau Carmen, Mutter Daniela und Vater Martin. Man kämpft mit den Tränen und den Erinnerungen und dem Schmerz.

Vater Holdener kommt zu Wort, sehr gefasst und sehr ergreifend erzählt er:

«Mir geht es nicht so gut, vor allem am Morgen, wenn ich aufstehe. Ich denke immer an ihn. Ich glaube einfach, dass er jetzt an einem schönen Ort ist. Warum holt man einen 34-Jährigen? Weil man wahrscheinlich an einem anderen Ort jemanden braucht, den man wollte. Einen guten Menschen.»

Vater Martin Holdener

Wendy und die Öffentlichkeit

Die Krebserkrankung Kevins, der auch Wendys Manager war, war der breiten Öffentlichkeit zwar bewusst, den genauen Zustand kannten aber nur die engsten Freunde, die Familie und Verwandte. Mit Kevins Befinden ging es zwar oft bergauf, aber noch öfters bergab. Auch für Wendy war es, während sie sportlich in der Öffentlichkeit stand, eine extrem emotionale Achterbahnfahrt. Sie sagt:

«Ich habe nie eine Maske aufgelegt in der Öffentlichkeit, ich konnte einfach nicht immer die Wahrheit sagen.»

Wendy Holdener

Mit Tränen in den Augen erzählt sie von dieser schwierigen Zeit, in der mehr Blicke auf sie gerichtet waren, als ihr in diesem Moment lieb war.

«Die Medien wussten ja schon lange, dass Kevin Krebs hat, aber viele dachten, er wäre geheilt. Die, die es gewusst haben, denen konnte ich sagen, dass es ihm schlecht geht. Aber sonst hatte ich kein Recht, das den Medien zu erzählen.»

Wendy Holdener

Sie führt aus, wie sie das Ganze mental mitgenommen hat, während sie gleichzeitig noch immer Wettkämpfe bestritt, von den Schwierigkeiten, mit der richtigen Einstellung an ein Rennen zu gehen.

Und während der Trainings und Wettkämpfe immer wieder die Frage: Bin ich hier am richtigen Ort?

Ganz zum Schluss des Films, nach Kevins Tod, kommt Wendy nochmals darauf zurück. Angesprochen auf die Frage, ob Skifahren immer noch gleich wichtig sei, sagt sie mit Tränen in den Augen:

«Je nachdem vielleicht sogar wieder wichtiger. Weil ich ihn nicht mehr habe. Und du musst ja trotzdem etwas machen mit deiner Zeit. Ich weiss, er hätte Freude.»

Die Dokumentation «Wendy und Kevin – verbunden über den Tod hinaus» ist am Donnerstag, 24.10.2024, um 20:10 Uhr auf SRF 1 zu sehen.

Podestplatz Wendy Holdener

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Podestplatz Wendy Holdener

Wendy Holdener jubelt in Küthai. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr.

quelle: x00360 / leonhard foeger

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So stolz ist Wendy Holdeners Familie

Video: srf

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