Neben den Sondierungsgesprächen mit der SPÖ werde es am Freitag auch Gespräche mit NEOS und den Grünen geben, bestätigte Nehammer. „Das entspricht dem Auftrag des Bundespräsidenten“, sagte der ÖVP-Chef. Es sei ihm bewusst, dass „bei manchen eine gewisse Aufregung um das Thema der Vergabe des Regierungsauftrags herrscht“. Die ÖVP war bei der Nationalratswahl hinter der FPÖ auf Platz zwei gelandet.

Bisher war stets der Vorsitzende der stimmenstärksten Partei vom Bundespräsidenten mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte zunächst den Spitzen von FPÖ, ÖVP und SPÖ aufgetragen, Gespräche miteinander zu führen. Dabei habe sich gezeigt, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl „keinen Koalitionspartner findet, der ihn zum Kanzler macht“, so der Bundespräsident.

Nehammer: „Kickl ist gescheitert“

Kritik an Van der Bellens Entscheidung war nicht nur aus der FPÖ, sondern unter anderen auch von den Landeshauptleuten der Steiermark und des Burgenlands, Christoph Drexler (ÖVP) und Hans Peter Doskozil (SPÖ), gekommen. Er selbst habe nach der Nationalratswahl „unaufgefordert“ gesagt, dass der Regierungsbildungsauftrag an die stimmenstärkste Partei vergeben werden sollte, sagte Nehammer am Freitag.

Van der Bellen habe anders als von ihm vorgeschlagen entschieden, den Regierungsbildungsauftrag nicht an die stimmenstärkste Partei zu vergeben. Das sei aber deshalb geschehen, weil Kickl ihm berichtet hatte, dass er keine tragfähige Mehrheit für eine Regierungsbildung finde. „Herbert Kickl ist gescheitert“, sagte Nehammer.

Lösungen auch für „die, die uns nicht gewählt haben“

Nehammer bekräftigte, die Regierungsverhandlungen mit großer Ernsthaftigkeit und Redlichkeit führen und Lösungen finden zu wollen, bei denen auch „die, die uns nicht gewählt haben“, mitgenommen werden können. Österreich brauche eine stabile Regierung mit einer starken parlamentarischen Mehrheit, um die großen Zukunftsfragen des Landes zu lösen: „Faktum ist: Die radikalen Kräfte haben sich selbst aus dem Spiel genommen.“

Bei den nun beginnenden Sondierungen wollen die Hauptverhandler organisatorische Details, die nächsten Schritte und erste inhaltliche Themenbereiche klären. Nehammer trifft am Freitag auch NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger und seinen bisherigen Koalitionspartner, Grünen-Chef Werner Kogler, zu Gesprächen.

Scharfe Kritik an geplanter Demonstration

Scharfe Kritik übte Nehammer in seinem Statement an einer geplanten Demo von Gegnerinnen und Gegnern einer Koalition ohne FPÖ, die am 9. November in Wien stattfinden soll. Die Kundgebung wird von rechtsextremen Kreisen beworben. Nehammer erinnerte daran, dass die Demonstration unter dem Motto „Macht euch bereit“ just am Jahrestag der nationalsozialistischen Novemberpogrome von 1938 stattfinden soll.

„Wofür machen sich die Menschen bereit, und wessen Wille geschieht hier?“, fragte er in Anspielung auf den Slogan „Euer Wille geschehe“ der FPÖ im Nationalratswahlkampf, der offenbar auf das Vaterunser („Dein Reich komme, Dein Wille geschehe“) anspielte.

Die Demonstration sei „ein Schlag ins Gesicht der Demokratie, des Rechtsstaates, der Versammlungsfreiheit, unserer freien Gesellschaft“, aber auch für die Angehörigen der Opfer dieser Pogrome. „Aus meiner Sicht ist das unerträglich“, so Nehammer. Er forderte daher alle Parteien dazu auf, sich von dieser Demonstration zu distanzieren.