Fakten und Zahlen zum Bargeld –
Wer braucht überhaupt neue Banknoten?
Bargeld ist auf dem Rückzug. Vielerorts gibt es weder Bankfilialen noch Bancomaten. Nun kündigt die Nationalbank neues Papiergeld an. Das wirft Fragen auf.
Jeden Monat werden mehr Banknoten an die Nationalbank retourniert als neu herausgegeben: Ein Mann am Bancomaten.
Foto: Keystone
Die Schweizerische Nationalbank kündigte heute Mittwoch eine neue Banknotenserie an, welche die aktuelle Serie ab 2030 ablösen soll.
Doch das Bargeld ist auf dem Rückzug. «Wird die Schweiz zur ‹Bargeldwüste›?», fragten am Montag die Autoren der HSG-Studie «Swiss Money Map 2024». Bargeld sei trotz Twint und Karten noch immer ein beliebtes Zahlungsmittel in der Schweiz, der Zugang zu «Münz und Nötli» sei noch «zufriedenstellend», so Studienautor Tobias Trütsch, Leiter des Center for Financial Services Innovation (FSI-HSG) an der Universität St. Gallen.
Nur 1,2 Prozent der Bevölkerung sind mehr als 5 Kilometer von der nächstgelegenen Bargeldbezugsmöglichkeit entfernt. 5,5 Prozent benötigen mehr als 20 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um einen Bancomaten, eine Post- oder eine Bankfiliale zu erreichen.
Ländliche Gemeinden könnten letzten Bargeldzugang verlieren
Doch die Studie bestätige «einen schleichenden Rückgang der Infrastruktur für den Bargeldbezug» und eine «Verschlechterung hinsichtlich Erreichbarkeit von Bargelddienstleistungen».
Vor allem viele ländliche Gemeinden laufen Gefahr, ihren letzten Bargeldzugang zu verlieren. Seit 2021 haben 94 Gemeinden ihren letzten Geldautomaten verloren, in 119 Gemeinden machte die letzte Bankfiliale dicht.
Die durchschnittliche Entfernung zum nächsten Geldautomaten hat seit 2021 um 100 Meter und zur nächsten Bankfiliale um 200 Meter zugenommen. «Dies ist für sich gesehen kein hoher Zeitverlust – aber der Beginn einer Entwicklung, die sich weiterhin verschlechtern könnte», warnen die Autoren.
Die Bargeldnachfrage ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Jeden Monat werden mehr Banknoten an die Nationalbank retourniert als neu herausgegeben. Der Rückgang betrifft vor allem die grossen Noten, die zur Wertaufbewahrung genutzt werden. Wegen der gestiegenen Zinsen werden sie weniger gehortet.
Seit Mai 2022 ist die Zahl der Hunderternoten und der Tausendernoten um je 15 Millionen Stück zurückgegangen. Von den 200er sind 8 Millionen weniger im Umlauf. Einen so starken und über Monate anhaltenden Rückgang bei grossen Noten gab es seit 2000 noch nie.
Gemäss Nationalbank ist der Anteil der mit Bargeld abgewickelten Transaktionen von 70 Prozent im Jahr 2017 auf 36 Prozent im Jahr 2022 gesunken. Der Trend zum Bezahlen mit Karten und Apps hat sich seit der Pandemie beschleunigt.
Die Debitkarte hat das Bargeld als beliebtestes Zahlungsmittel in den Läden abgehängt, wie die Daten des Swiss Payment Monitor, einer Untersuchung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Universität St. Gallen, zeigen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Bezahl-Apps, vor allem Twint, ebenfalls am Bargeld vorbeiziehen.
Bargeld ist für die Banken teuer, ausserdem lassen sich mit anderen Zahlungsmitteln zusätzliche Geschäfte machen. Der Aufwand für Bancomaten lohnt sich immer weniger. Der Betrieb kostet gemäss der Finanzdienstleisterin SIX jährlich über 30’000 Franken pro Stück.
Mehr und mehr Bancomaten spielen ihre Kosten nicht ein. Bis 2019 nahm die Zahl der Bancomaten zu, seit 2020 ist sie um 13 Prozent zurückgegangen.
Die Zahl der Bankfilialen ist schon länger rückläufig. In den letzten 25 Jahren wurde jede dritte zugemacht. Der Trend dürfte sich nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS beschleunigen.
Gemäss HSG-Studie liegt das Bankenland Schweiz mit seiner Filial- und Geldautomatendichte im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld, sogar unter dem EU-Durchschnitt.
Das setzt eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale in Gang: Bancomaten und Bankfilialen werden aufgehoben, weniger Unternehmen akzeptieren Bargeld, weniger Leute nutzen es.
Betriebe planen Einschränkungen des Bargelds
Gemäss der jüngsten Umfrage der Nationalbank zur Akzeptanz von Bargeld bei grossen Detailhändlern, Restaurants und anderen Anbietern planen viele Betriebe des öffentlichen Verkehrs, die Akzeptanz von Bargeld in den nächsten Jahren einzuschränken.
Dass sich die Spirale dabei immer schneller drehen kann, hat sich in Schweden gezeigt. Die schwedische Zentralbank Riksbank warnt vor einem Verschwinden des Bargelds und fordert, dass öffentliche Institutionen und öffentliche Unternehmen sowie private Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs verkaufen, verpflichtet werden, gesetzliche Zahlungsmittel zu akzeptieren.
Die Regierung hat bereits Gegenmassnahmen ergriffen. Grössere Banken werden gesetzlich verpflichtet, Bargelddienstleistungen in bestimmten Orten im ganzen Land anzubieten. Die Riksbank muss über das Land verteilt fünf Bargelddepots unterhalten, um die Bargeldversorgung im Krisenfall – Stromausfall, Cyberattacken – aufrechterhalten zu können.
In der Schweiz ist kürzlich eine Bargeldinitiative mangels Unterschriften gescheitert, die eine Annahmepflicht für Bargeld in die Verfassung schreiben wollte.
Bund lehnt «Bargeld ist Freiheit» ab
Die Volksinitiative «Bargeld ist Freiheit» kommt demnächst zur Abstimmung. Der Bundesrat lehnt sie zwar ab, sieht aber in einem direkten Gegenvorschlag vor, die Sicherstellung der Bargeldversorgung und den Franken als Währung der Schweiz neu in der Verfassung zu verankern.
Vor einem Jahr hat die Nationalbank eine Expertengruppe eingesetzt und mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung einen runden Tisch gestartet, um mit Banken, Detailhändlern und anderen Interessengruppen Massnahmen gegen den Bargeldschwund zu diskutieren.
Auf die Frage, ob die Entwicklung neuer Banknoten verschwendete Mühe ist, wenn nichts gegen den Bargeldschwund unternommen wird, sagt Nationalbankchef Martin Schlegel, er sei überzeugt, dass Bargeld auch in Zukunft ein breit genutztes Zahlungsmittel bleiben werde. «Aber die Nationalbank kann niemanden zwingen, Bargeld zu verwenden.» Um den Teufelskreis zu stoppen, sei es entscheidend, Bargeld einzusetzen, denn das Bedürfnis der Menschen sei der wichtigste Treiber. «Wenn die Bevölkerung Bargeld will, muss sie es auch verwenden», sagt Schlegel.
Bargeld in der Schweiz
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