Seit Ende Oktober ist klar: Bayern und Baden-Württemberg erhalten nach dem verheerenden Hochwasser im Frühsommer finanzielle Unterstützung von der EU. Insgesamt sollen beide Bundesländer rund 112 Millionen Euro kriegen, die genaue Aufteilung ist noch unklar. Das Geld soll aus dem EU-Solidaritätsfonds kommen.
Noch muss der von der EU-Kommission beschlossene Plan vom Rat der Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament gebilligt werden. Das gilt als Formsache. Hintergrund der Hilfsgelder: Anfang Juni gab es im Süden Deutschlands in einigen Regionen heftiges Hochwasser. Bayerns Finanzministerium zufolge verursachte es im Freistaat nicht versicherte Schäden in Höhe von knapp 1,8 Milliarden Euro.
Bayerisches Finanzministerium: Bund soll endlich auch zahlen
Während Bayern zusätzlich zu eigenen Hilfsmitteln mit EU-Geld rechnen kann, geht der Streit der Staatsregierung mit dem Bund weiter. Die Söder-Regierung wirft der Bundesregierung vor, trotz anderslautender Aussagen während des Hochwassers doch keine Fluthilfen an Bayern zahlen zu wollen. Der Bund kontert: Bayern habe nicht ausreichend dargelegt, dass es sich um eine Katastrophe nationalen Ausmaßes gehandelt habe und der bayerische Staatshaushalt finanziell überfordert sei.
Bayerns Finanzministerium sieht die eigene Sicht durch die Entscheidung in Brüssel gestärkt. Ein Ministeriumssprecher teilt auf BR24-Anfrage kurz vor dem Ampel-Aus mit: Die EU-Kommission sei “auf Basis der umfassenden Antragsunterlagen” zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen, “dass das Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg eine Naturkatastrophe nationalen Ausmaßes darstellt”. Die Bundesregierung müsse sich daran schnellstmöglich ein Beispiel nehmen “und endlich zu ihrer Zusage zur solidarischen Kostentragung stehen”.
Hochwasser: Hat der Bund wirklich Hilfsgelder versprochen?
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) finanzielle Unterstützung zugesagt hat, ist aus Sicht der Staatsregierung klar. Bei einem Besuch in Bayern während des Hochwassers Anfang Juni hatte Scholz gesagt: “Wir werden alles dazu beitragen, auch mit den Möglichkeiten des Bundes, dass hier schnell weiter geholfen werden kann.” Es seien schon viele Einsatzkräfte aus dem Bund und der Bundeswehr dabei. “Und wir werden natürlich auch hinterher die geübte Praxis der Solidarität, die wir in Deutschland haben, weiter voranbringen.”
Auf BR24-Anfrage betont die Pressestelle des Bundesfinanzministeriums, dass der Bund Bayern beim Juni-Hochwasser durchaus unterstützt habe – unter anderem mit Kräften von Technischem Hilfswerk, Bundeswehr und Bundespolizei. Darüber hinaus könne sich der Bund “nur dann und ausnahmsweise an ihren Kosten beteiligen, wenn eine Katastrophe nationalen Ausmaßes vorliegt und die betroffenen Bundesländer bei deren Bewältigung überfordert wären”.
Für die Bundesregierung erfüllt das Juni-Hochwasser diese Bedingungen nicht. “Eine Katastrophe nationalen Ausmaßes wurde zuletzt bei dem Hochwasserereignis im Jahr 2021 mit vier betroffenen Bundesländern und mit einer geschätzten Schadenshöhe von insgesamt 30 Milliarden Euro festgestellt”, heißt es vom Bundesfinanzministerium. Bayern habe bislang keine vergleichbare Lageanalyse vorgelegt. Zuletzt hatte der Bund eine “eine angemessene Unterlegung” der Schätzungen gefordert – die Staatsregierung wiederum betont, man habe genug Informationen geliefert.
EU und Bund: Andere Kriterien für Hilfszahlungen
Und was ist mit den EU-Hilfen? Das Bundesfinanzministerium weist auch darauf hin, dass die “Kriterien für Hilfen der Europäischen Union bei Naturkatastrophen größeren Ausmaßes” nicht deckungsgleich seien “mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Naturkatastrophe nationalen Ausmaßes in Deutschland”. Zusammengefasst: Nur weil die EU-Kommission Bayern mit Geld bei der Hochwasser-Bewältigung helfen will, muss der Bund das noch lange nicht.
Bayerns Finanzministerium gibt sich damit nicht zufrieden. Mit Schreiben an die Bundesregierung und einer Initiative im Bundesrat will die Staatsregierung den Druck aufrecht erhalten. Man wolle “den Bund endlich zur Erfüllung seiner Zusagen zu bewegen”. Dass das nach der Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und dem Ende der Ampel-Koalition zeitnah gelingt, ist allerdings unwahrscheinlich.