Russland und Nordkorea: Nato warnt vor Einsatz nordkoreanischer Soldaten im Ukrainekrieg

Die Nato hat angesichts der Berichte über einen möglicherweise bevorstehenden Einsatz nordkoreanischer Truppen im russischen Krieg gegen die Ukraine Besorgnis bekundet. “Sollte Nordkorea Truppen entsenden, würde dies eine erhebliche Eskalation darstellen”, teilte Generalekretär Mark Rutte nach einem Gespräch mit dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol mit.

Yoon hatte am Freitag mitgeteilt, dass nach Erkenntnissen des südkoreanischen Geheimdiensts bereits mehr als 1.500 Angehörige nordkoreanischer Spezialkräfte in Russland seien. Sie sollen Teil eines Kontingents von 12.000 Soldaten sein, die Nordkorea nach Russland entsenden wolle, wo sie im Ukrainekrieg eingesetzt werden sollten. Damit bestätigte Südkorea zuvor erhobene Anschuldigungen der Ukraine gegen Russland. Kyrylo Budanow, der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienst HUR,
sprach zuvor in einem Interview von 11.000 nordkoreanischen Soldaten,
die bereits ab November einsatzbereit sein könnten.

Zeichen für nordkoreanische Soldaten in Russland verdichten sich

Nach Informationen des südkoreanischen Geheimdiensts sollen die 1.500 Soldaten auf russischen Kriegsschiffen in den Hafen Wladiwostok transportiert worden sein. Die Transporte hätten bereits am 8. Oktober begonnen. Zuvor war am Freitag ein Video aufgetaucht, das nordkoreanische Soldaten auf einem russischen Militärgelände zeigen soll. Ein ukrainischer Militärblogger geolokalisierte es auf einen Militärstandort, der etwa 150 Kilometer nördlich der Grenze zwischen Russland und Nordkorea liegt. In Rufen, die in diesem Video zu hören sind, soll laut einem vom exilrussischen Investigativmedium The Insider befragten Übersetzer mutmaßlich nordkoreanischer Dialekt zu hören sein.

Der südkoreanische Geheimdienst stützt seine Angaben unter anderem auf Satellitenbilder. Zudem setzte er nach eigenen Angaben eine KI-unterstützte Software zur Gesichtserkennung ein. Darauf sollen einzelne nordkoreanische Offiziere erkannt worden sein. Unter anderem sei ein Ingenieur der nordkoreanischen Raketenstreitkräfte identifiziert worden, der russische Militärs beim Einsatz der nordkoreanischen ballistischen Raketen gegen Ziele in der Ostukraine unterstützen solle. Demnach gibt es Fotos des Offiziers aus dem August 2023, als er als Teil einer Delegation Kim Jong Un bei der Inspektion einer Waffenfabrik begleitet habe. 

Ein weiteres Video, das das ukrainische Militär am Freitag veröffentlichte, soll die Verteilung russischer Uniformen an die mutmaßlichen Nordkoreaner zeigen. Auch Südkoreas Geheimdienst teilte mit, dass die Soldaten russische Uniformen erhalten sollen. Ukrainische und exilrussische Onlinemedien berichteten, Russlands Militärführung wolle sie als Soldaten aus den fernöstlichen russischen Gebieten Burjatien und Jakutien ausgeben und so ihre wahre Herkunft verschleiern.  

Spekulationen über den Einsatz nordkoreanischer Soldaten in der Ukraine setzten Anfang Oktober ein. Damals berichteten ukrainische Medien unter Verweis auf Quellen in Geheimdienstkreisen, bei einem ukrainischen Angriff im Osten des Landes seien sechs nordkoreanische Soldaten getötet worden. Unabhängige Belege gibt es dafür nicht, allerdings berichteten auch russische Militärblogger davon. Die Washington Post berichtete Mitte Oktober, mehrere Tausend Nordkoreaner würden für den Einsatz in der Ukraine vorbereitet.

Nordkorea versorgt Russland mit Munition und Raketen

Nordkorea unterstützt Russland bereits seit Monaten mit Waffenlieferungen. Früheren südkoreanischen Angaben zufolge sollen Tausende Container mit Artilleriemunition nach Russland gebracht worden sein. Laut einigen Schätzungen stammt inzwischen ein beträchtlicher Teil – möglicherweise gar die Hälfte – der von Russland eingesetzten Artilleriemunition aus nordkoreanischen Beständen. HUR-Chef Budanow bezeichnete das zuletzt als “kritisches” Problem, gegen das bisher keine Lösung gefunden sei.

Zudem liefert Nordkorea auch ballistische Raketen und Abschussrampen an Russland. Die Raketen wurden bereits gegen die Ukraine eingesetzt: Forensische Untersuchungen von Raketentrümmern belegten, dass sie aus Nordkorea stammten. Auch die westlichen Unterstützerländer der Ukraine stützten diese Angaben aus Kiew. Russland verstieß mit der Annahme der Waffenlieferungen aus Nordkorea gegen internationale Sanktionen gegen das nordkoreanische Regime, das es seinerzeit als Mitglied des UN-Sicherheitsrats teilweise selbst mitgetragen hat.

Russlands Staatschef Wladimir Putin hatte im Juni Nordkorea besucht und sich dort mit dem dortigen Machthaber Kim Jong Un getroffen. Dabei vereinbarten die beiden Länder eine vertiefte militärische Zusammenarbeit. Der Vertrag darüber enthält unter anderem eine Klausel über gegenseitigen militärischen Beistand, sollte eines der beiden Länder angegriffen werden.

Neben der Ukraine sieht auch Südkorea das als Bedrohung. Der russische Botschafter in Seoul, der angesichts der jüngsten Vorwürfe der Entsendung von Soldaten ins südkoreanische Außenministerium einbestellt worden ist, kommentierte die Anschuldigungen nicht direkt. Er sagte lediglich, die militärische Zusammenarbeit seines Landes mit dem Regime im Norden sei nicht gegen Südkorea gerichtet.

Einsatz nordkoreanischen Kontingents wäre seit Kriegsbeginn beispiellos

Sollten sich die Informationen der Ukraine und Südkoreas über den Einsatz nordkoreanischer Truppen zweifelsfrei bestätigen, wär das ein seit Kriegsbeginn beispielloser Vorgang. Russland wirbt zwar unter anderem Söldner aus Kuba, Indien, Nepal und einer Reihe afrikanischer Staaten an. Auch die Ukraine unterhält eine sogenannte Internationale Legion, in der sich Angehörige Dutzender Staaten als Freiwillige der ukrainischen Armee anschlossen. Allerdings hat bisher kein Drittstaat ganze Truppenverbände entsandt und sich somit direkt am Krieg beteiligt. 

Putins Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Berichte über einen Einsatz nordkoreanischer Soldaten Anfang Oktober als Falschinformation. Südkoreas Außenministerium bezeichnete die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea als Gefahr über die Region hinaus.

Zu den ungeklärten Fragen gehört derzeit allerdings der Grund für den Einsatz. Russland setzt nach eigenen und ukrainischen Angaben mehr als 600.000 Soldaten an der Front in der Ukraine sowie als Besatzungstruppen in eroberten Gebieten ein. Zudem rekrutiert das russische Militär monatlich mehr als 20.000 Soldaten für den Einsatz und kann damit seine Verluste in etwa ausgleichen, wenngleich diese bei der Donezk-Offensive in den vergangenen Monaten gestiegen sind.

Das stetig steigende Durchschnittsalter russischer Soldaten sowie die ebenso steigenden Prämien, die Rekruten bei der Verpflichtung für den Kriegsdienst versprochen werden, werden zwar als Zeichen dafür gewertet, dass Russland zunehmend Probleme bei der Rekrutierung hat. Dennoch wäre das Kontingent von 12.000 nordkoreanischen Soldaten, falls es nicht weiter wächst, nur eine geringe Aufstockung der russischen Truppenstärke in der Ukraine.

Ukrainekrieg

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Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.

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