AboUS-Wahlkampf in New York –

Warum Trump in der Stadt auftritt, in der sie ihn nicht mögen oder wählen

Sie mögen und wählen ihn hier nicht: Donald Trump auf Wahlkampf in New York, hier mit seiner Frau Melania.

Sie mögen und wählen ihn hier nicht: Donald Trump auf Wahlkampf in New York, hier mit seiner Frau Melania.

Foto: Evan Vucci (AP, Keystone)

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In Kürze:Donald Trumps Auftritt in New York zieht zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen nach sich.Die Veranstaltung beginnt mit erheblicher Verspätung und einer langen Liste von Rednern.Trump kritisiert Kamala Harris und lobt seine Fähigkeit, ohne Stars auszukommen.Der Applaus für Trumps Rede bleibt verhalten, einige Zuschauer verlassen frühzeitig die Halle.

Es hat in den vergangenen Monaten zwei Attentatsversuche auf diesen Mann gegeben, da liegt es nahe, dass die Sicherheitsvorkehrungen ein wenig strenger sind als sonst. In den «Guest Instructions» für angemeldete Besucher des Auftritts von Donald Trump im Madison Square Garden (auch als The Garden bekannt und mit MSG abgekürzt) von New York steht, es dürften keine Rucksäcke und Handtaschen mitgebracht werden, keine Schirme und Feuerwaffen. So weit, so nachvollziehbar.

Sicherheitsvorkehrungen vor dem New Yorker Madison Square Garden.

Sicherheitsvorkehrungen vor dem New Yorker Madison Square Garden.

Foto: Yuki Iwamura (AP, Keystone)

Aber: Ausdrücklich verboten ist auch das Mitführen von Bällen und Ballons, von Kühlboxen und Stühlen, von Drohnen und «anderen unbemannten Flugsystemen» sowie von «Haushaltsgeräten (zum Beispiel Toaster)». Schweren Herzens macht man sich also ohne Toaster auf den Weg zur Arena nach Manhattan.

Trump spricht mit zweistündiger Verspätung

Trumps Auftritt als Hauptredner einer langen Redeliste ist für 17 Uhr angekündigt, er beginnt dann aber erst mit mehr als zweistündiger Verspätung. Es ist die übliche Mischung aus Lügen, Beleidigungen, fremdenfeindlichen Tiraden und ziemlich langatmigen Passagen. Trump nennt die Vereinigten Staaten ein «besetztes Land», die kriminellen Gangs aus Venezuela hätten sogar den Times Square hier in New York übernommen. Er fordert die Todesstrafe für alle «illegalen Migranten», die einen Amerikaner töten. Über Kamala Harris sagt er: «Jeder weiss, dass sie ein Individuum mit einem sehr niedrigen IQ ist.»

Auf den ersten Blick ergibt es wenig Sinn, dass Trump an diesem Sonntagabend, neun Tage vor der Wahl, in New York Station macht. Die Stadt und ihr gleichnamiger Bundesstaat gehören nicht zu den umkämpften Swing States, nach menschlichem Ermessen wird die Demokratin Harris hier am 5. November eine komfortable Mehrheit holen. Hinzu kommt, dass die Trump-Kampagne für die Miete dieser vielleicht bekanntesten Mehrzweckhalle Amerikas laut Medienberichten mehr als eine Million Dollar ausgeben musste. Warum also Madison Square Garden?

Warum Trump ausgerechnet nach New York kommt? Weil er es will

Vermutlich gibt es dafür zwei Gründe, einen strategischen und einen kindischen. Zum einen setzt Trump garantiert auf das breite öffentliche Interesse, das ihm diese Aktion bescheren dürfte. Jedenfalls dominiert er damit wieder einmal die TV-Bildschirme und Handy-Displays, und wenn Trump eine Sache verstanden hat, dann diese: Nichts hilft ihm mehr als ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Botschaft dieses Abends richtet sich also an das ganze Land, New York ist nur die Bühne.

«You always make it there, you make it anywhere» (Textzeile aus «New York, New York» von Frank-Sinatra-Lied): Donald Trump auf dem Weg auf die grosse Bühne.

«You always make it there, you make it anywhere» (Textzeile aus «New York, New York» von Frank-Sinatra-Lied): Donald Trump auf dem Weg auf die grosse Bühne.

Foto: Alex Brandon (AP, Keystone)

Anderseits ist das hier eben auch Donald Trumps Heimatstadt. Eine Stadt, in der er einen Wolkenkratzer baute und nach sich selbst benannte, in der er aber immer unter einem Minderwertigkeitskomplex litt: Sie mögen und wählen ihn hier nicht, jedenfalls längst nicht in dem Masse, wie er das für angemessen hielte. Diese Halle zu füllen, ist für ihn also auch ein Egotrip. Newt Gingrich, der einstige republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, gab dieser Tage die vielleicht schlüssigste Antwort auf die Frage, warum Donald Trump den Madison Square Garden gebucht hat: «He just wants to do it.» Der Boss will es einfach so.

«Ich brauche keine Gitarren», sagt Trump über Harris’ Kampagne

Trump nutzt diese Bühne dann unter anderem, um noch einmal zu prahlen, wie gut er sich mit Wladimir Putin verstehe und wie wenig er bei seinen Vorträgen auf einen Teleprompter angewiesen sei – was er gegen Toaster einzuwenden hat, verrät er nicht. Stattdessen sagt er: «Wir treten hier nicht gegen Kamala an. Sie bedeutet gar nichts, sie ist nur ein Gefäss.» In Wahrheit, so Trump, gehe es gegen einen viele grösseren Gegner: «Eine radikal bösartige linke Maschinerie.»

Kamala Harris versucht sich der Trump-Maschinerie dieser Tage mit allerlei Prominenz entgegenzustellen. Sie war mit Barack und Michelle Obama, mit Bruce Springsteen und Beyoncé auf der Bühne. Trump hat sich oft darüber lustig gemacht, dass die Demokraten immer Showstars bräuchten, um ein wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er dagegen sei sein eigener Star, «ich brauche keine Gitarren», sagte er einmal.

Auch er kam (erneut und) ohne Gitarre: der abgehalfterte Profi-Wrestler Hulk Hogan.

Auch er kam (erneut und) ohne Gitarre: der abgehalfterte Profi-Wrestler Hulk Hogan.

Foto: Sarah Yenesel (AP, Keystone)

Umso erstaunlicher ist die lange Liste an Einpeitschern und Animateuren in seinem Vorprogramm im Madison Square Garden: Angefangen von Trumps Running Mate J. D. Vance und dem Wrestler Hulk Hogan über den Moderator Tucker Carlson, der halben Trump-Familie und New Yorks ehemaligem Bürgermeister Rudy Giuliani, gegen den fast so viele Gerichtsverfahren laufen wie gegen Trump selbst, bis hin zum Country-Sänger Lee Greenwood und schliesslich Elon Musk.

Tony Hinchcliffe nennt Puerto Rico eine «schwimmende Müllinsel»

Das zieht sich alles über Stunden und es gibt einen tiefen Einblick in das, was der Welt an Rassismus, Sexismus und sonstigem Irrsinn blüht, wenn Donald Trump und seine Freunde das Weisse Haus wieder übernehmen sollten. David Rem, ein Jugendfreund Trumps, bezeichnet Kamala Harris als «den Teufel» und «den Antichristen», ausserdem kündigt er an, im kommenden Jahr für das Amt des Bürgermeisters von New York zu kandidieren.

Der Komiker und Podcast-Host Tony Hinchcliffe macht schlechte Witze über die Grösse von Latino-Familien («sie lieben es, Babys zu machen»), Puerto Rico nennt er eine «schwimmende Müllinsel».

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Der Auftritt ist auch deshalb erstaunlich, weil im Swing-State Pennsylvania besonders viele Wähler mit puerto-ricanischen Wurzeln leben. Vance beschreibt Trump als einen Mann, der allen Versuchen der Demokraten, ihn aus dem Rennen zu nehmen, getrotzt habe: «Sie haben sogar versucht, ihn zu töten», sagt Vance. Hulk Hogan zerreisst sein T-Shirt.

Nach einem knapp fünfstündigen Vorprogramm ist dann endlich der Mann an der Reihe, der vom Publikum am sehnsüchtigsten erwartet wird: Elon Musk. Er sagt: «Die Energie im Raum ist unglaublich.» Nach handgestoppten viereinhalb Minuten ist Musk dann aber schon wieder weg. Der Hauptzweck seiner Rede besteht offenbar darin, Trumps Ehefrau Melania auf die Bühne zu rufen, die wiederum die Aufgabe hat, ihren Mann anzukündigen.

Mittlerweile fast schon Stammgast bei Trump-Wahlauftritten: Milliardär Elon Musk (mit Kind und seiner Mutter Maye).

Mittlerweile fast schon Stammgast bei Trump-Wahlauftritten: Milliardär Elon Musk (mit Kind und seiner Mutter Maye).

Foto: Alex Brandon (AP, Keystone)

Als Donald Trump ans Mikrofon tritt, ist die Halle seit Stunden bis zum letzten Platz gefüllt. Knapp 20’000 Zuschauer dürften es sein, viele müssen stehen. Vermutlich kommen nicht alle aus New York, die Begrüssung einer Delegation aus North Carolina baut Trump sogar in seine Rede ein. Aber die meisten hier wirken schon ermattet von all den Tiraden und Beschimpfungen, als der Hauptredner endlich loslegt. Einmal fragt Trump sein Publikum: «Habe ich es bis jetzt gut gemacht?» Der Applaus ist erstaunlich verhalten. Nach zwanzig Minuten gehen die Ersten nach Hause. Und nach gut einer Stunde, also noch mittendrin in Trumps Vortrag, sind plötzlich überall freie Sitzplätze zu haben.

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