Von den vier größten Volkswirtschaften der Euro-Zone ist Spanien der deutliche Ausreißer: Die deutsche Wirtschaft wuchs im dritten Quartal nur leicht um 0,2 Prozent. In Frankreich kam die Wirtschaft mit einem Zuwachs um 0,4 Prozent ebenfalls stärker in Fahrt, während aus Italien eine Stagnation der Wirtschaftsleistung gemeldet wurde.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) traut Spanien in seiner jüngsten Prognose für 2024 rund 2,9 Prozent Wachstum zu, mehr sogar als den USA, für die 2,8 Prozent prognostiziert werden. „Spanien zieht in der EU davon“, analysiert Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) gegenüber ORF.at. Anders als etwa Irland und Litauen, die im Euro-Zonen-Vergleich im dritten Quartal noch besser abschneiden, seien die Wachstumsraten sehr glatt.

Grafik zu Wachstumsraten des BIP

Grafik: ORF; Quelle: Eurostat

Spanien gilt als eines der EU-Länder, das am besten durch die Pandemie, Energiekrise und Teuerung gekommen ist. Die Inflation war durchgängig deutlich unter EU-Schnitt und reiht sich jetzt im Mittelfeld ein. Die Regierung unter dem Premierminister Pedro Sanchez setzte auf Gaspreisdeckel, Mietpreisbremse und eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, um die Teuerung abzufedern – Maßnahmen, die auch nach ihrem Auslaufen Effekte zeigen: Das Preisniveau ist weiter niedrig, die Konsumlaune deutlich besser als in Österreich und den meisten anderen EU-Ländern.

Wirtschaftsmotor Tourismus

Treibender Motor der spanischen Wirtschaft ist aber weiter der Tourismus, der fast 14 Prozent des BIP ausmacht. In einigen Regionen liegt dieser Wert aber deutlich höher. Auf Mallorca und den restlichen Balearen-Inseln beträgt er etwa rund 35 Prozent. Und die Zahl der Besucher aus dem Ausland wächst in Spanien unaufhörlich: In den ersten acht Monaten des Jahres sei die Rekordmarke von 64,3 Millionen erreicht worden, teilte die Statistikbehörde INE in Madrid mit.

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei ein Anstieg um 11,2 Prozent registriert worden, hieß es. Die Ausgaben der Touristen und Geschäftsreisenden hätten sich sogar um fast 18 Prozent auf rund 86,5 Mrd. Euro erhöht. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, geht der spanische Tourismusverband Exceltur davon aus, dass die Branche im dritten Quartal um 4,8 Prozent gewachsen ist und 2024 einen neuen Rekord erreichen wird.

Exporte von Dienstleistungen stark steigend

Besonders deutlich legen aber auch die Exporte von Dienstleistungen – unter anderem in den Bereichen Finanzen, IT- und Softwareentwicklungen – zu. Raymond Torres, Chefökonom der spanischen Wirtschaftsstiftung Funcas, rechnet laut „Financial Times“ in diesem Sektor mit einer Steigerung um 9,7 Prozent 2024 – 2019 waren es noch 5,5 Prozent.

Einen Hauptgrund für die Entwicklung sehen Expertinnen und Experten in der europaweit außergewöhnlich großen Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Schon jetzt profitiert Spanien dabei von der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Lateinamerika, die den Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren wie der Technologie und dem Gastgewerbe abgeschwächt haben.

Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau sinkend

Erst kürzlich kündigte Premierminister Sanchez eine Reihe von Maßnahmen an, die diese Entwicklung weiter fördern sollen – etwa die Anerkennung akademischer Qualifikationen, den Abbau bürokratischer Hürden und Pläne für bessere Integration und interkulturelles Zusammenleben.

Trotz des außergewöhnlichen Wirtschaftswachstums war die spanische Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr mit 11,5 Prozent laut Eurostat die höchste in Europa – eine Quote, die laut Experten höchstens in einer Rezession vorkommt. Für Spanien ist es allerdings der niedrigste Wert seit 15 Jahren.