Der Zuschlag an das designierte Iris-2-Industriekonsortium ist erteilt, die Verträge für Europas größtes Weltraumprojekt der kommenden Jahre sollen bis Dezember unterzeichnet werden. Mit dieser Botschaft versetzte die EU-Kommission Ende vergangener Woche große Teile der kriselnden europäischen Raumfahrtindustrie in Freude. „Wir stehen voll und ganz hinter allem, wofür Iris 2 steht: ein souveränes, sicheres Kommunikationssystem, das durch innovative Entwicklungen in Europa unterstützt und durch öffentlich-private Partnerschaften vorangetrieben wird“, sagte Miguel Ángel Panduro, der Chef des spanischen Satellitenbetreibers Hispasat.
Hispasat bildet zusammen mit den europäischen Wettbewerbern Eutelsat und SES das Konsortium, das bis zum Jahr 2030 mit dem Aufbau eines Systems aus neuen Bodenstationen und Satelliten in unterschiedlichen Größen und Umlaufbahnen beauftragt werden soll. Als dritte europäische Weltraumkonstellation neben dem Erdbeobachtungssystem Copernicus und dem Navigationssystem Galileo soll Iris 2 eine unabhängige weltraumgestützte Telekommunikation ermöglichen. Geplant sind militärische, staatlich-hoheitliche und industrielle Anwendungen. Das System gilt als Gegenentwurf zur Starlink-Konstellation des Amerikaners Elon Musk.
Monatelang hatte die EU-Kommission mit Industrie und Mitgliedstaaten über die Ausgestaltung von Iris 2 verhandelt, dabei ging es um Arbeitsanteile und Kosten. Die nun erzielte Einigung sieht den Aufbau von 290 Satelliten und Gesamtkosten für die gesamte Laufzeit des zwölfjährigen Konzessionsvertrags in Höhe von 10,6 Milliarden Euro vor. Die EU soll davon mit sechs Milliarden Euro den Löwenanteil übernehmen, der Privatsektor 4,1 Milliarden Euro tragen und die Europäische Weltraumorganisation ESA die verbleibenden 0,5 Milliarden Euro.
„Die Europäische Kommission sollte die Innovationskraft nutzen“
Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass um einzelne Vertragsdetails bis Dezember noch gerungen werden könnte. Hintergrund ist die Tatsache, dass die EU-Kommission und das Iris- 2-Konsortium dem deutschen Drängen auf eine umfassende Einbindung von Mittelständlern und Start-ups nur bedingt Rechnung tragen. So sollte eigentlich gewährleistet werden, dass diese mit einem Arbeitsanteil von 30 Prozent an dem Milliardenprojekt partizipieren – und nicht nur Großkonzerne zum Zuge kommen; neben den drei großen Satellitenbetreibern im Konsortium sind die großen Satellitenbauer Airbus, Thales Alenia Space und OHB und Telekommunikationsanbieter wie die Deutsche Telekom und Orange im „Core Team“ Iris-2-Konsortialpartner zweiten Ranges.
Die EU-Kommission spricht nun nur noch davon, dass mindestens 30 Prozent des Wertes des Konzessionsvertrags an „Unterauftragnehmer vergeben werden, insbesondere an (kleine und mittlere Unternehmen)“. Es könnten somit also auch größere Unternehmen als „Unterauftragnehmer“ zum Zuge kommen.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte nicht sagen, ob es die Vergabe des Konzessionsvertrags vor diesem Hintergrund vollumfänglich befürwortet – oder noch auf Änderungen bis zur Vertragsunterzeichnung im Dezember pochen will. „Grundsätzlich begrüßen wir das Vorangehen von Iris 2“, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.
Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie äußerte sich positiv. „Wir begrüßen diesen signifikanten Fortschritt im Iris-2-Projekt“, sagte die Hauptgeschäftsführerin Marie-Christine von Hahn. Es sei „unverzichtbar für Europas Souveränität und Sicherheit“, und deutsches Know-How sei „zentral beteiligt, damit Europa geschlossen agieren kann“.
Druck kommt dagegen vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Die Europäische Kommission sollte die Innovationskraft und Dynamik von New-Space-Start-ups und mittelständischen Unternehmen bei der Realisierung von Iris 2 nutzen“, sagte der Raumfahrtzuständige Matthias Wachter. „Eine Verwässerung oder Abschaffung der vorgesehenen Quote von 30 Prozent für junge Unternehmen und (kleine und mittlere Unternehmen) wäre ein schwerer Fehler“, mahnte er.
Weitere Verhandlungen könnten den Systemstart jedoch weiter verzögern. Schon das jetzt geplante Zieldatum 2030 liegt deutlich hinter dem ursprünglichen Zieldatum 2027.