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Die Ukraine plant, kein russisches Gas mehr nach Europa zu transportieren. Präsident Wolodymyr Selenskyj zieht Alternativen in Betracht, um Putin als Versorger zu ersetzen.
Moskau – Das Aus vom russischen Gas rückt näher. Das ist vor allem für Wladimir Putin keine gute Nachricht. Denn der Export von Gas ist für Russlands Wirtschaft eine wichtige Einnahmequelle, um den Ukraine-Krieg finanzieren zu können. Allerdings weiß Putin, dass er derzeit schlechte Karten hat. Aufgrund eines wichtigen Abkommens konnte Putin russisches Gas über die Ukraine nach Europa durchleiten lassen. Doch das Abkommen steht nun auf der Kippe – und die Ukraine will noch einen Schritt weiter gehen.
Russlands Wirtschaft hat ein Gas-Problem – Aserbaidschan erwägt neuen Deal
Die Ukraine hat verdeutlicht, den Gastransitvertrag zwischen dem ukrainischen Energieversorger Naftogaz und dem russischen Staatskonzern Gazprom nicht verlängern zu wollen. „Es ist vorbei“ hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dazu Ende August kommentiert. Um Europa trotzdem mit Gas versorgen zu können, erwägt die Ukraine einen Deal mit Aserbaidschan. Die Ukraine könnte sich laut Aussagen von Selenskyj vorstellen, Gas aus Aserbaidschan durchzuleiten.
Wie Bloomberg News jüngst berichtet, wären Unternehmen aus Ungarn und der Slowakei bereit, Gas aus Aserbaidschan nach Europa durchzuleiten. Für die Durchleitung würden die Unternehmen dasselbe Pipelinenetz nutzen, das derzeit russisches Gas durch die Ukraine in die EU transportiert. Bloomberg zufolge sind die Gespräche so weit fortgeschritten, dass die Unternehmen aus Ungarn und der Slowakei kurz vor der Unterzeichnung eines Vertrags stehen.
Für Russlands Wirtschaft läuft Ende 2024 ein wichtiger Vertrag aus. Putin konnte dank des Abkommens Gas nach Europa verkaufen. © Evgenia Novozhenina/dpaFolgen für Russlands Wirtschaft: Aserbaidschan könnte Putin als Gas-Lieferant ersetzen
Allerdings dementierte die Slowakei kurze Zeit später diesen Bericht. Europäische Unternehmen stünden nicht kurz vor einer Vereinbarung mit Aserbaidschan, um die russischen Gasströme zu ersetzen, erklärte der staatliche slowakische Gasimporteur SPP am 1. November gegenüber Reuters. Dem Unternehmen zufolge wird das Thema jedoch regelmäßig mit den Partnern diskutiert.
Bis also ein finaler Vertrag zustande kommt und unterzeichnet wird, könnte es also noch ein bisschen dauern. Im Vorfeld hat Aserbaidschan der Ukraine die Unterstützung signalisiert. „Wir werden helfen, wenn wir können“, sagte der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev laut Bloomberg auf einer Konferenz Ende Juli. Aliyev erklärte ebenfalls, dass die Gasproduktion seines Landes durch neue und bestehende Projekte im Kaspischen Meer steigen werde.
Beziehung zwischen Russland und Aserbaidschan
Aserbaidschan ist laut der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace für Russland vor allem zu einem unersetzlichen Partner geworden, wenn es um den Transport von Waren von und nach Iran und den Häfen am Persischen Golf geht. Die Zusammenarbeit im Energiebereich bleibt ein Eckpfeiler der aserbaidschanisch-russischen Beziehungen.
Russlands Wirtschaft bangt: Ukraine will nur Gas aus Aserbaidschan durchleiten – EU dazu „bereit“
Im Zuge eines möglichen Deals zwischen der Ukraine und Aserbaidschan, um Europa weiterhin mit Gas versorgen zu können, kam häufiger die Frage auf, was ein Auslaufen des derzeitigen Transitvertrags für Folgen hätte. Immerhin gibt es noch einige EU-Länder, die noch immer russisches Gas beziehen.
Energieexperten sind zudem der Meinung, dass Aserbaidschan kurzfristig nicht über genügend Gas verfügt, um die Lieferungen nach Europa weiter zu erhöhen. „Die Gasproduktion Aserbaidschans ist nicht sehr groß“, so Journalistin und Energieexpertin Aura Sabadus vom Center for European Policy Analysis (CEPA), gegenüber der Deutschen Welle. Doch die EU ist laut eigenen Angaben auf ein Ende des Gastransitvertrags vorbereitet, auch wenn dies das Aus vom russischen Gas bedeuten würde. Die EU sei „bereit, ohne das verbleibende russische Erdgas zu leben, das über die Transitroute durch die Ukraine geliefert wird“, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson im September in Brüssel.
Sanktionen setzen russische Wirtschaft unter Druck – Gas-Projekte liegen auf Eis
Sollte Aserbaidschan tatsächlich als Gaslieferant einspringen, könnte dies für die russische Wirtschaft Folgen haben. Der russische Energieriese Gazprom würde die Lieferungen über die Ukraine wahrscheinlich am liebsten aufrechterhalten. Laut dem Thinktank Carnegie Endowment for International Peace könnte Russland besonders Schäden finanzieller Art erleiden, wenn es sein Gas nicht mehr über die Ukraine transportieren könnte.
Besonders vor dem Hintergrund, dass Putins Gas-Projekt mit China derzeit auf Eis liegt, bemüht sich Russlands Wirtschaft um Verhandlungen mit potenziellen Gas-Käufern. Hinzu kommt, dass wichtige Handelspartner sich von Putin abwenden könnten, weil sie den Druck der westlichen Sanktionen spüren.