Eine zum Politikum avancierte Clan-Größe war am Montag nicht nur Thema im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses, sein Fall wird auch im Milieu der bekannten Großfamilien diskutiert: Khalil El-Zein, 35 Jahre, wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten vorbestraft.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) drängte am Montag auf eine Abschiebung El-Zeins, zumal der illegal eingereist sei. „Es müssen alle strafrechtlichen Sanktionen ausgeschöpft werden“, sagte Spranger im Abgeordnetenhaus. „Wir schieben diese Person wieder in den Libanon ab.“ Zudem werde geprüft, die Clan-Größe in Abschiebehaft zu nehmen. „Das ist eine Sanktionierung, um die er sehr genau weiß.“
Libanon – Syrien – Türkei – Bulgarien
Deshalb hieß es in der Szene, dass El-Zein am Montag freiwillig ausreisen wollte. Ein Flug in die Türkei sei seit Tagen gebucht gewesen. Namhafte Angehörige seiner Großfamilie leben dort, der Clan gilt in der Türkei als besser vernetzt als im Libanon. Vom BER startete El-Zein am Montag gegen 15 Uhr nach Istanbul, wie Sicherheitsexperten dem Tagesspiegel bestätigten.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Am Dienstag bestätigte die Senatsinnenverwaltung seine Ausreise auch offiziell. Der Mann sei nachmittags vom Berliner Flughafen aus nach Istanbul geflogen, sagte eine Sprecherin. Bundespolizisten und Berliner Kriminalpolizisten vom Landeskriminalamt hätten ihn im Flughafen begleitet.
Am 15. März 2024 war El-Zein aus Berlin in den Libanon abgeschoben worden. Doch seit spätestens 13. Oktober war El-Zein wohl wieder zurück. Erstmals nannte Senatorin Spranger einige Details: Es gebe Hinweise, dass der Mann vom Libanon aus über Syrien und die Türkei mithilfe von Schleusern in das EU-Land Bulgarien gereist sei.
Von Bulgarien aus soll er – wie Zehntausende allein in diesem Jahr – nach Deutschland gekommen sein. In anderen EU-Ländern habe er keinen Asylantrag gestellt, dann wäre der jeweilige Staat zuständig gewesen.
Erpressung, Diebstahl, Körperverletzung
Die Polizei führt den 35-Jährigen als „ausländischen Mehrfach- und Intensivstraftäter“ – darunter wegen räuberischer Erpressung, Diebstahls und gefährlicher Körperverletzung. Zehn Strafurteile sind im Bundeszentralregister vermerkt.
Besonders viele Gewalttaten Das ist Berlins gefährlichste U-Bahnlinie
Am 21. Oktober ging er zum Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Tegel und stellte ein Asylgesuch. Vier Tage später erschien er mit einem Anwalt im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), stellte dort seinen Antrag und wurde angehört: El-Zein bekam eine schriftliche Aufenthaltsgestattung. Als Asylunterkunft wurde ihm ein Standort in der Kreuzberger Oranienstraße zugewiesen. Er lebte aber, wie all die Jahre zuvor, bei seiner Familie.
„Erhebliche Gefahr für Leib und Leben“
Das BAMF hat den Asylantrag bereits abgelehnt, weil dieser „offensichtlich unbegründet“ sei. Nach dem Termin wurde El-Zein festgenommen, er sollte in eine „Haft zur Vorbereitung der Abschiebungsandrohung“. Nur einen Tag später kam er jedoch wieder frei. Zwar bestätigte auch das Bereitschaftsgericht in seinem vierseitigen Beschluss, dass El-Zein gefährlich sei. Angesichts seiner kriminellen Karriere spreche einiges dafür, dass von ihm „eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter“ ausgehe.
Dennoch lehnte das Gericht den Antrag auf Gewahrsam ab. Der Grund: Der Asylantrag hat Vorrang, daran gebunden ist die Entscheidung, ob er abgeschoben wird. Außerdem sei sein Anwalt bevollmächtigt, die Bescheide der Behörden anzunehmen. Khalil El-Zein hat in Berlin eine Frau und vier Kinder mit deutschem Pass.
An vielen Fronten aktiver El-Zein-Clan
Senatorin Spranger sagte, dass die Innenverwaltung bereits nach der Einreise sofort eine Fallkonferenz einberufen habe. Ziel sei es, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, El-Zein „so schnell wie möglich wieder zurückzuführen“. Beteiligt waren auch die Bundespolizei, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, das BAMF und das Landesamt für Einwanderung.
Im Milieu wird über den deutsch-arabischen El-Zein-Clan (in einigen Papieren auch Al-Zein) seit Jahren gesprochen. In Berlin überfielen Familienmitglieder 2014 das KaDeWe, später wollte ein El-Zein einen Nebenbuhler töten lassen. In Essen stritt sich der Clan 2017 mit irakischen Gangstern, in Düsseldorf wurden El-Zeins 2022 wegen Betrugs verurteilt. Und 2023 kämpften die El-Zeins im Ruhrgebiet gegen syrische Großfamilien. Zuletzt gab es dort Streit mit der „Mocro-Mafia.“
Lesen Sie außerdem auf Tagesspiegel.de Nach Libanon abgeschoben, jetzt Asylantrag in Berlin Behörden hilflos gegen bekannten Clan-Kriminellen „Ein Menschenleben hat keine Bedeutung“ Wie die „Mocro-Mafia“ Deutschland ins Visier nimmt AfD-Politiker unter Festgenommenen Razzia gegen Neonazi-Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“
Im November 2019 wurde Khalil El-Zein in Nürnberg verhaftet, weil er mit zwei Komplizen eine Seniorin um Bargeld und Schmuck im betrogen hatte. Er war zuvor wegen räuberischer Erpressung, Diebstahl und Körperverletzung polizeibekannt. (mit dpa)