Der frühere Nato-General Erhard Bühler sieht nach der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten die europäischen Nato-Mitglieder in wachsender Verantwortung. Es gebe aber keinen Grund zur Angst – solange auf allen Ebenen zügig gehandelt wird.

  

Der Veranstaltungstermin ist perfekt gewählt: Wenige Stunden, nachdem feststeht, dass Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt worden ist, analysiert der frühere Nato-General Erhard Bühler am Mittwoch bei einer Ringvorlesung an der Universität Regensburg die sicherheitspolitische Lage in EU und Nato – natürlich auch mit Blick auf das Votum in den USA. Trump hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Europäern in Verteidigungsfragen auch finanziell mehr abfordern will. Er hat angekündigt, den Krieg in der Ukraine nach seinem Amtsantritt im Januar zügig zu beenden. Bühler glaubt allerdings nicht, dass Trump dieses Wahlversprechen einlösen wird.

Putin in der Pflicht

„Trump wird ja wohl nicht glauben, dass er die Souveränität der Ukrainer dadurch beeinträchtigen kann, dass er Vorschriften macht, was sie zu tun und zu lassen haben“, sagt er. Am Zug sieht er stattdessen den russischen Präsidenten. „Putin hat es in der Hand, den Krieg sofort zu stoppen. Aber er hat überhaupt kein Interesse daran. Denn noch nie war er so nah dran, sein Ziel zu erreichen, wie jetzt.“

Bühler ist profunder Kenner des Konflikts. Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine beleuchtet er einmal pro Woche im MDR-Podcast „Was tun, Herr General?“ sehr differenziert die Situation an der der russisch-ukrainischen Front. Bei den europäischen Nato-Mitgliedern herrscht Sorge, dass Trump die militärische Unterstützung stark zurückfahren könnte und die eigenen Belastungen steigen.

Nachbesserungsbedarf in Deutschland

Nach Bühlers Einschätzung werden die USA die Ukraine zwar nach wie vor unterstützen, ihren Abwehrkampf zu gewinnen. Doch er sieht ebenfalls größere Verantwortung auf Europa zukommen. „Wir müssen insgesamt mehr tun, um den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken.“ Die Aufgaben müssten dabei im Zusammenspiel erfüllt werden. Den Part Deutschlands sieht er trotz Ankündigung der „Zeitenwende“ durch die Ampel-Regierung noch nicht auf gutem Weg. Von 2025 bis 2027 sollten nach aktuellen Plänen die Ausgaben für Verteidigung stabil bleiben, dann 2028 so sprunghaft ansteigen, dass das Geld gar nicht in dieser Zeit auszugeben sei.

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Maßgabe für Verteidigungsausgaben sind derzeit zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts. „Ich fürchte, dass wir in einer Übergangszeit deutlich mehr als zwei Prozent brauchen werden“, sagt Bühler. Er macht das auch an Aussagen von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius fest, wonach Russland in wenigen Jahren auch für die Nato zur Bedrohung werden könne. 2029 hatte er in diesem Zusammenhang als Datum genannt, ab dem die Nato verteidigungsfähig sein müsse.

Der 68 Jahre alte Bühler hat eine 44-jährige Laufbahn bei der Bundeswehr und in führenden Funktionen der Nato hinter sich. Zuletzt war er von 2019 bis 2020 Kommandeur des Nato Joint Force Command in den Niederlanden. Er hatte auch führende Funktionen bei der KFOR-Truppe im Kosovo.

Erste Schritte in der Oberpfalz

Es gibt im übrigen enge Verknüpfungen zur Oberpfalz: Bühler ist in Regensburg aufgewachsen. Die ersten Schritte bei der Bundeswehr machte er 1976 beim Instandsetzungsbataillon 4 in Hemau (Lkr. Regensburg). 2003 übernahm er den Posten des Kommandeurs der Panzerbrigade 12 in Amberg.

Der Auftritt in Regensburg ist in gewisser Weise also ein Heimspiel – auch wenn er kurz von zwei Friedensaktivisten unterbrochen wird, die ein Transparent mit der Aufschrift „Nie wieder Deutschland dienen!“ entrollen, danach aber rasch den Hörsaal verlassen.

Veranstalter der Ringvorlesung ist der Leibniz-Wissenschaftscampus „Europa und Amerika in der modernen Welt“, eine Kooperation des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) und der Universität Regensburg. Bühler hatte diese Woche bereits in seinem MDR-Podcast – quasi vorausschauend – die politischen Klimaveränderungen bei einer Wiederwahl Trumps skizziert, basierend auf den Erfahrungen mit seiner ersten Präsidentschaft von 2017 bis 2021. „Das war menschlich unangenehm, das war – was Teile der Außenpolitik angeht – naiv aus meiner Sicht“, sagte er mit Blick auf Verhandlungen der Trump-Administration mit den Taliban in Afghanistan oder den Umgang mit Nordkorea inklusive Trumps Besuch beim Diktator „Aber wir haben das alles überstanden“, zeigte er ein Quäntchen Hoffnung.

Ohne das lässt er auch die Regensburger Zuhörer trotz schwieriger sicherheitspolitischer Gesamtlage nicht nach Hause gehen. „Wir müssen nicht ängstlich sein“, sagt er. Europa habe es politisch, diplomatisch und auch militärisch in der Hand, die Situation zum Besseren zu wenden.